Skandinavien

( Juni 2023 )

Im Norden angekommen…

Im Juni bewegten wir uns stetig Richtung Norden. Wir haben für uns, aber auch für Einstein eine Reisegeschwindigkeit gefunden, die passt (heisst, wir sind sehr langsam unterwegs…). Wir haben gelernt, bzw. sind besser geworden, den Tag nicht fix zu planen, sondern offen zu sein für Unvorhergesehenes.

Für uns auch ein wichtiger Teil der Reise: Wir haben ebenfalls gelernt, mit den uns zur Verfügung stehenden 12 m umzugehen. Reisen im Wohnmobil ist nicht dasselbe, wie für längere Zeit Ferien an einem Ort zu machen. Wir müssen immer wieder alles verstauen und sichern, wenn wir unterwegs sind. Die Küche haben wir auch langsam im Griff, wissen wo was ist und wie man trotz der kleinen Fläche feines Essen auf den Tisch zaubert. Und vor allem haben wir begriffen und auch akzeptiert, dass alles länger dauert, als in vorher. Und wir lieben diese Art zu leben, diese Unabhängigkeit und die Möglichkeit, an einem schönen Ort anzuhalten und einfach zu bleiben.

In Norwegen (und auch dem restlichen Skandinavien) gilt das Jedermannsrecht. Ganz grob umschrieben gibt es den Menschen hier (aber auch den Touristen aus dem Ausland) einen fast unbegrenzten Zugang zur Natur unter der Bedingung, dass man dieses Recht mit Respekt lebt und eben auch Sorge zur Natur trägt. Für uns als Reisende ergeben sich daraus vor allem zwei unbezahlbare Möglichkeiten:

  • Wir können an sehr vielen Orten freistehen (also übernachten im Wohnmobil ausserhalb eines Campingplatzes – irgendwo im Nirgendwo)
  • Wir dürfen an den Küsten im Meer uneingeschränkt und ohne Patent fischen

Wir lieben dieses Jedermannsrecht und sind extrem dankbar für das Vertrauen, das Norwegen in die Menschen setzt und wir machen davon rege Gebrauch. Wenn wir unterwegs einen schönen Platz sehen, dann halten wir an und bleiben für ein oder sogar 2 Nächte dort und geniessen diese unglaubliche Natur in vielen Fällen ohne Nachbarn.

Einstein hat sich auch an den Rhythmus gewöhnt. Bisher haben wir ihm die Freude an der Natur aber noch nicht vermitteln können (oder jedenfalls nicht mit einem Geschirr und einer Leine daran, die ihm den Weg weist…). Er findet das Spazieren so nicht so toll wie seine Tanne in Lanzenhäusern. Aber nach dem anfänglich sehr schlechten Gewissen, dass wir ihn seiner Freiheit beraubt haben, sind wir nun in der Phase der Akzeptanz… Das Wichtigste für ihn scheint unsere Anwesenheit zu sein. Wir geben ihm daher alle Liebe und Aufmerksamkeit, die wir haben. In der Nacht (die ja oberhalb des Polarkreises im Moment keine ist) ist er ziemlich aktiv und manchmal schafft es frau, zwischen 2.30 und 3.30 Uhr einen kleinen Spaziergang mit ihm zu unternehmen. An manchen Orten allerdings steckt er nur seine Nase raus und will nichts von einem Gang in die Natur wissen. Wir fragen uns manchmal, was er weiss und wir nicht…?

Betreffend die Landschaft und die Route, die wir gefahren sind, hat uns vor allem die Helgelandkysten unheimlich gefallen. Sie verläuft – wie es der Name sagt – an der Küste entlang von Godoystraumen über 433 km nach Holm mit mehreren Fährüberfahrten. Die Gebirgsketten, Fjorde, die Schärtengarten und Inseln sind einfach traumhaft und entsprechen sicher auch dem Bild, das wir von Norwegen hatten.

Auf Höhe der Lofoten und auf dem Weg Richtung Nordkap wurde der Verkehr etwas dichter. Wir entschieden bereits bei der Reiseplanung, dass wir hier einfach durchfahren und dann im Herbst in diese Gegend zurückkehren, wenn der Touristenstrom etwas weniger gross ist. Die Gegend ist traumhaft schön – und das wissen und schätzen mittlerweile sehr viele Menschen :-)

Unser Weg führte uns am Nordkap vorbei auf die nächste Halbinsel, die genauso schön, aber fast menschenleer ist.

Je weiter gegen Norden, desto leerer wurde auch die Landschaft. Aber gerade diese kargen, rauen, ja fast schon archaisch anmutenden Hochebenen gefallen uns sehr. Die Baumgrenzen (falls man überhaupt von Bäumen sprechen kann) ist hier oben im Norden zwischen 250 und 350 MüM.

Unterwegs sahen wir auch immer wieder Rentiere. Je weiter im Norden, desto grösser sind auch die Herden. Und an einem schönen «warmen» (heisst hier so zwischen 12-18 Grad) Tag nehmen sie auch gerne mal ein Schneebad. Die Rentiere sind ja so semi-wild. Sie gehören jemandem, sind aber unter dem Jahr frei und bewegen sich durch die Natur – ok, wir haben sie fahrend auch schon in nicht so gut beleuchteten Tunneln angetroffen… Man muss daher immer auf der Hut sein. Eindrücklich ist es, zu beobachten, wie schnell ihre Geweihe wachsen. Zu Beginn unserer Reise waren sie noch ganz klein und kaum sichtbar und mittlerweile gibt es auch schon ganz stattliche Kopfputze. Die Männchen stossen ihr Geweih dann bereits im Herbst wieder ab. Die tragenden Weibchen verwenden es aber im Winter noch, um an das Futter zu kommen (oder Futterstellen zu verteidigen).

Elche hingegen sehen wir nicht so häufig. In Mittel-Norwegen standen sie manchmal am Morgen in der Nähe einer Strasse. Allerdings sind diese scheuen Tiere sehr schnell weg, wenn sie Menschen sehen oder hören (also bei uns ist das der Fall…). Hier im hohen Norden gibt es nicht so viel «Elchland», da kaum Bäume vorhanden sind. Falls überhaupt, dann sind es knorrige Birkenwäldchen.

Ein grosses Highlight hier an der Nordspitze des europäischen Kontinents ist für uns die Mitternachtssonne. Oder – da es nicht sooooo oft sonnig ist – die Mitternachtshelligkeit. Wir hatten uns im Vorfeld vorgestellt, dass die Sonne bis kurz vor den Horizont sinkt, orange wird und dann wieder langsam steigt – so hatten wir es schon einmal in Island miterlebt. Das erste Mal – kurz nach dem Polarkreis – war es auch genauso. Aber hier im nördlichsten Norden scheint die Sonne einfach frischfröhlich durch die ganze Nacht hindurch – ein wunderschönes Erlebnis. Man muss sich einfach zwingen, schlafen zu gehen und alles zu verdunkeln, denn sonst wird man gar nicht richtig müde.